David gegen Goliath im Regenwald
Malaysias Regierung lässt im Regenwald derzeit einen Staudamm zur Stromerzeugung bauen. Doch die Ureinwohner wehren sich gegen das Projekt: Sie werfen der Regierung vor, sie über das Projekt nicht informiert zu haben und den Regenwald als reines Spekulationsobjekt zu sehen.
"Es geht um unseren Regenwald. Für uns ist das unsere Heimat", sagt Alim Ga Mideh. "Unsere Stämme leben vom Wald, er spendet uns das Baumaterial für unsere Hütten, gibt uns Essen und Trinken und sogar die Medizin - doch nun müssen wieder vier Dörfer weichen, weil hier der Staudamm gebaut werden soll." Er zeigt auf Bagger, die sich in den bergigen Dschungel gefressen haben.
[Bildunterschrift: Kilometerweit haben sich die Bagger in den Urwald von Borneo gegraben. ]
Wie eine Wunde leuchtet die gelbe, abgekratzte Erde mitten im satten Grün. Die malaysische Regierung baut hier für 62 Millionen Euro einen von zwölf neuen Staudämmen für Elektrizitätswerke. Viele Hektar Regenwald werden überflutet, Hunderte Ureinwohner zwangsumgesiedelt. Und das, obwohl in der Region rund um Kampong Bengoh eigentlich die Landrechte der Dayaks gelten, es also geschütztes Gebiet ist. Der Baumeister ist auch ein Dayak, daher hat er uns erlaubt, einen Blick auf die gigantische Baustelle zu werfen. Filmen aber ist verboten, zwei Aufpasser hat er im Wagen vor uns mitgeschickt.
Der Strom im Dorf kommt aus Dieselgeneratoren
Dort, wo die meterdicken Baumstämme frisch gefällt sind, führt ein Trampelpfad in den Urwald, er schlängelt sich um den Hügel und führt nach einigen Hundert Metern bergab. Es ist der traditionelle Weg der Ureinwohner zum nächsten Dorf Bojong. Er endet nach fünf Stunden Fußmarsch an der letzten Siedlung hinter den Bergen, dort, wo irgendwo Indonesien beginnt. Uns kommt ein Mann entgegen, auf dem Rücken trägt er zwei große, schwere Kanister voller Diesel für die Generatoren. In den Urwalddörfern gibt es keine Straßen, nur Hütten, aber Fernseher, die über Dieselgeneratoren betrieben werden.
"Niemand hat uns etwas von dem Damm erzählt, nicht mal der Abgeordnete von hier. Plötzlich waren die Bagger hier, erst Monate später haben wir gehört, dass wir unsere Dörfer verlegen müssen. Wohin wir dürfen, wissen wir nicht, auch nicht, wie viel Entschädigung wir bekommen werden", sagen zwei Männer, die uns auf dem Pfad begegnen. Sie waren in Kuching, der Hauptstadt von Sarawak - einfach so zum Rumhängen. Ausbildungen für Berufe in der Stadt haben sie nicht.
"Wir Dayaks sind Menschen zweiter Klasse, und das ist das Problem. Die Regierung macht Geschäfte mit chinesischen Firmen und wir leiden darunter. Für uns ist der Regenwald unser Zuhause, für sie ist das reine Geldspekulation," sagt Dr. John Brian Anthony von der Dachorganisation Sarawak Dayak National Union, die sich für die Rechte der Ureinwohner einsetzt. Er ist einer der führenden Aktivisten. Anthony wurde im Urwald geboren. John war der erste seines Stammes, der zur Schule durfte, er schaffte es bis zur Universität und promovierte in England.
"Nicht noch mehr Rücksicht auf die Dayaks"
Datu Haji Len Salleh vertritt die andere Seite. Er hat verschiedene Regierungsämter inne, ist Generalsekretär des staatlichen Holzhandels und Chef des Regenwaldamtes von Sarawak. Alle Geschäfte laufen über einen seiner Schreibtische. "Wir können nicht noch mehr Rücksicht nehmen auf die Dayaks," erklärt er, "sonst benachteiligen wir die anderen malaysischen Volksgruppen auf Borneo, die Inder und die Chinesen. Sie haben auch ein Recht darauf, Geschäfte zu machen." Wenn in der Region der Dayaks gerodet werde, dann gegen Entschädigungen. Wem das nicht reiche, der könne ja gegen die Regierung klagen.
Verfahren vor dem Obersten Gericht gewonnen
Das haben rund 200 Dayaks getan, die meisten Verfahren laufen noch. Aber im Mai hat der oberste malaysische Gerichtshof in einem Verfahren den Dayaks recht gegeben. Es ging nicht um den Staudamm sondern um Palmölplantagen, für die Regenwald gerodet und Dayak-Stämme nach eigenen Angaben vertrieben werden. Palmöl ist ein gigantisches Geschäft. Malaysia ist der weltweit größte Exporteur: Fast 18 Millionen Tonnen waren es 2008, zwölf Prozent mehr als im Vorjahr - eine Monokultur, die den begehrten Rohstoff für Kosmetika, Lebensmittel und Treibstoff auch nach Europa bringt. Die Umweltorganisation WWF schätzt, dass auf ganz Borneo bislang 3,5 Millionen Hektar Regenwald abgeholzt wurden, um Ölpalmen anzubauen. "Wir haben im Kampf gegen die Palmölplantagen recht bekommen, aber die Regierung respektiert das nicht," sagt der Sprecher der Dayak-Dachorganisation, Anthony.
[Bildunterschrift: Die Bilder von der Baustelle können nur heimlich aufgenommen werden. ]
Nun haben die Dayaks eine neue Front, an der sie kämpfen: die Staudammprojekte ihrer Regierung. Auf dem Rückweg gelingt es uns, noch heimlich aus dem fahrenden Auto ein paar Aufnahmen von der Baustelle zu machen. Diese Bilder sind jetzt schon ein Zeitdokument, denn in zwei Jahren wird das gesamte Tal überflutet sein und Borneo wird dann ein weiteres Stück Regenwald für immer verloren haben.