Kinder- und Familienpardies, Bereginja-Yoga, Rückzugsort
14. Februar 2010,
Valentinstag im Camp Petit Troll
Ein Monat ist seit dem Erdbeben vergangen. Dieses Wochenende gab der Präsident der Bevölkerung 3 Tage, in denen alle Geschäfte geschlossen waren, um zu fasten und zu beten. Das war die erste konkrete öffentliche Verkündigung des Präsidenten seit dem Erdbeben. Seit Freitag in der früh waren die Haitianer auf der Straße und taten genau das: Gott für seine göttliche Weisheit zu danken.
Die Haitianer sprechen von dieser älteren Frau, die im Dezember versucht hatte, die Bevölkerung vor der größten Katastrophe in der Geschichte ihres Landes zu warnen. Die Frau hatte an jedermanns Tür geklopft, auch bei TV und Radio Sendern, sowie beim Präsidenten selbst. Sie berief sich darauf, eine Botschaft von Gott zu bringen. Sie hatte kein Glück und wurde an den meisten Orten, wo sie hinging, abgewiesen. Jetzt sagen die Haitianer dass sie auf diese Dame hätten hören sollen. Weil sie ihr nicht geglaubt hatten, bestrafte Gott sie mit dem Erdbeben.
Unser einheimisches Personal nahm sich dieses Wochenende frei und alle Eltern aus dem Camp sind draußen, um zu beten. Nur die Kinder hat man im Camp zurückgelassen. Wir versuchten, das Personal davon zu überzeugen, dass wir weiterarbeiten sollten, da die Ärzte aus Norwegen nur noch ein paar Tage bei uns bleiben würden und wir dies ausnutzen sollten. Aber alle wollten in die Kirche gehen und so war es dann auch.
Stattdessen fuhren wir mit dem Ärzteteam zu einer abgelegenen Klinik in den Bergen. Die Straße dorthin war lang und steil und sehr sehr furchterregend! Wir fuhren alle zusammen in unserem neuen Laster, den wir nach dem Erdbeben gekauft hatten. Der Lastwagen ist exzellent, aber nicht unbedingt für solche Straßen geeignet. Ich war davon überzeugt, dass wir in einem Abgrund enden würden … Aber Edwin schaffte es und fuhr uns den ganzen Weg hinauf bis zum Dorf! (Ich ging dann allerdings zu Fuß wieder hinunter …) Der Lastwagen ist uns eine große Hilfe, um unsere Vorräte an der Grenze abzuholen und wenn wir eine neue Schule bauen und einige unserer Familienhäuser wieder aufzubauen beginnen, werden wir so ein Fahrzeug dringend benötigen. Einen Lastwagen zu mieten kostet 200 Dollar am Tag. Wir dachten das sei eine hervorragende Investition für „Projekt Haiti“ und sind sehr froh über den Deal.
Schon vor dem Erdbeben war das Bildungssystem in Haiti in einem schlechten Zustand. Nach dem Erdbeben nun liegen 5000 Schulen in Ruinen, 80 000 Lehrer sind arbeitslos, eine Million Kinder haben keine Schule mehr, in die sie gehen könnten. Die Schulen, die nicht zerstört wurden, werden am 1. März wieder aufsperren. Auch Petit Troll wird das so machen. All unsere Lehrer sind seit der ersten Woche nach dem Erdbeben regelmäßig ins Camp gekommen, um mit den Kindern zu arbeiten. Wir hatten einen Ingenieur von der ekuadorianischen UNO Einheit hier, der die Schule abgecheckt hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass das Gebäude sicher sei. Wir sind so froh, das zu hören! Nächste Woche werden wir ein Treffen mit allen Eltern haben, um alles für die Rückkehr in die Schule vorzubereiten.
Das ekuadorianische Ingenieur Corps von MINUSTAH baut Latrinen für unser Camp. Sie sind sehr positiv und enthusiastisch dass sie helfen können – und wir sehr dankbar!
Das Gesundheitsministerium hat verkündet, dass Haiti nicht länger Spenden in der Form von fertiger Babymilch will. Der Grund dafür ist, dass sie die Mütter zum Stillen ermutigen wollen. Das ist ja alles schön und gut, aber es gibt hunderte, wenn nicht tausende Waisenbabys im Land. Ein äußerst frustrierter Besitzer eines Waisenhauses erzählt uns, dass auf Grund dieser Ankündigung alle Babymilchspenden von den USA und anderen Ländern eingestellt wurden. Nun sterben tatsächlich verwaiste Babys deshalb.
Vor ein paar Tagen baten zehn Teenagermädchen aus dem Camp Edwin und mich um ein Treffen. Die 13 Jahre alte Ernica war in dem Treffen die designierte Sprecherin im Namen der Gruppe. Die Mädchen wollten sich dafür entschuldigen, dass sie den Ernst der Lage nicht verstanden hatten. Dass für das Zusammenleben in einem Camp jeder beitragen muss, auch die jungen Mädchen. Sie haben jetzt ein Komitee gebildet und haben es sich zur Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen, dass alle Kinder im Camp sauber sind, dass sie alle helfen, das Camp sauber und in Ordnung zu halten und dass sie gegenseitig aufeinander aufpassen wollen. Wir sind so stolz und glücklich, das mit den Mädchen zu besprechen. Was für eine großartige Initiative!
Gemeinsam mit dem medizinischen Team hatten wir diese Woche zwei Treffen. Das erste mit den pubertierenden Mädchen, in dem wir Themen wie die Sicherheit im Camp, persönliche Hygiene, Dusch- und Toilettenarrangements und so weiter diskutierten. Und dann machten wir das gleiche mit den Müttern und sie hatten alle interessante und konstruktive Vorschläge, wie wir das Camp sicher, sauber und gesund halten könnten.
Genau zu dem Zeitpunkt, als wir unsere Besprechung hatten, kam wieder einmal ein Nachbeben und alle Mütter rannten schreiend ins Freie. Es war ein Nachbeben der Stufe 4 nach der Richterskala und sieben Menschen, die zu diesem Zeitpunkt gerade versucht hatten einen der Hauptsupermärkte, den Caribbean, der jetzt total in Trümmern liegt, auszuplündern, mussten vom US Militär gerettet werden.
Mit unserem Ärzteteam und gut ausgestattet mit medizinischen Vorräten von unseren Freunden von Study Away, konnten wir auch eine Anzahl Patienten aus der weiteren Nachbarschaft erreichen: Lolos Camp und meine alte Nachbarschaft. Jede Krankenschwester und Arzt haben ihren eigenen Übersetzer und so konnten wir 4 Posten einrichten. Durchschnittlich können wir so jedes mal mehr als 100 Patienten betreuen. Viele Kinder und Erwachsene leiden an Unterernährung, Würmern, Durchfall, Kopfweh, Bauchweh, Schlafstörungen, Hautausschlägen, Krätze und so weiter. Mit dem Beginn der Regenzeit Ende März / Anfang April wird die Lage noch viel schlimmer werden.
Die Sicherheit in Port au Prince ist zerbrechlich. Stellen sie sich eine Stadt vor, in der mehr als 700 000 Menschen in behelfsmäßigen Camps leben. Die Leute haben alles verloren. Die Polizei hat um hunderte Polizisten, die bei dem Erdbeben ums Leben kamen, weniger. Die Menschen haben keine Wohnadressen mehr zu ihren Namen. Polizisten haben Angst, dass einige der 4000 Flüchtlinge aus dem Nationalgefängnis ihnen vielleicht nachstellen könnten, um sich an denen, die sie hinter Gitter brachten, zu rächen.
Die Situation für Mädchen und Frauen bezüglich Sicherheit ist prekär. In den dunklen Nächten mit so vielen Menschen zusammengepfercht ist die Wahrscheinlichkeit, missbraucht und vergewaltigt zu werden rasant angestiegen. Letzte Woche wurde ein Mädchen außerhalb des Camps von einer Gang vergewaltigt. Sie ist 13 Jahre alt Sie war Schülerin in Petit Troll seit sie 3 Jahre alt war. Ein scheues, hübsches Mädchen. Sie schämte sich, irgend jemandem davon zu erzählen, aber zwei Tage später erfuhr ich über eine Freundin von ihr davon. Wir sind äußerst betroffen und frustriert über den Vorfall. Wir ließen sie untersuchen und stellten sicher, dass sie nicht schwanger war. Wir hoffen, dass sie sich nicht mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt hat. Zu diesem schrecklichen Martyrium kommt noch hinzu, dass die Mutter ihre Tochter schlug und ihr vorwarf, schuldig zu sein. Am liebsten hätte ich die Mutter gemeinsam mit den Männern, die für die Vergewaltigung verantwortlich waren, einsperren lassen. Vergewaltigung wurde in Haiti erst 2005 kriminalisiert. Schon vor dem Erdbeben war es ein Albtraum, zu versuchen die Täter einer Vergewaltigung vor Gericht zu bringen. Heute hat das überhaupt keinen Sinn …
Die Vereinigten Staaten und Kanada haben jetzt zehntausende ihrer eigenen Bürger evakuiert. Alle wollen weg von hier. Die Abwanderung aller, die eine gewisse Ausbildung absolviert haben, war immer schon ein Problem in Haiti … Ich frage mich, wer wohl nach alledem hier bleiben wird …
Ich bitte alle, sich die Zeit zu nehmen, diese Zeilen hier zu lesen.
Haiti braucht euch. Bitte vergesst das nicht!
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